Aus der Rubrik »KI & Gender«
Geschlecht wird gemacht. Wenn wir über Künstliche Intelligenz sprechen, ist diese im gesellschaftlichen Diskurs ansonsten hoch polarisierende Aussage nichts weiter als eine banale Feststellung. Ob Alexa oder Siri – von Männern dominierte Großkonzerne erschaffen weiblich anmutende Assistenzsysteme auf der Basis von maschinellem Lernen, gemeinhin „Künstliche Intelligenz“ genannt. Wird ein Roboter oder ein Programm auf KI-Basis mit Charaktereigenschaften designed, so steht für die Entwickler*innen irgendwann der Zeitpunkt an zu entscheiden, ob *Es* ein Er oder eine Sie wird. Sodann werden spezifische Daten und definierte Abhängigkeiten bei deren Verarbeitung gebraucht – über Stimme, Mimik, Ausdrucksweisen oder bestimme Antworten wird ein Geschlecht simuliert.
Unweigerlich werden hier gesellschaftliche Verhältnisse zuerst der Deutungshoheit der Entwickler*innen von KI unterworfen und dann durch ihre Anwendung selbst verstärkt. Die Algorithmen von Google, Facebook und Amazon analysieren zunächst das Geschlecht der User*innen, um auf ihnen aufbauend Vorschläge und Suchergebnisse vorzusortieren. Hier greift KI massiv und massenhaft in die Bewusstseinsbildung und die Ausformung von Geschlechterverhältnissen ein.
So wird die Machtstellung weniger Großkonzerne zum einen, die Dominanz von Männern in diesen Konzernen zum anderen zum Problem. Frauen haben – beginnend mit der Vordenkerin des Computers Ada Lovelace im 19. Jahrhundert – gleichen Anteil an der digitalen Revolution. Der Ursprung des Programmierens liegt in der Stenografie, ein historisch weiblich dominierter Beruf – ebenso wie der der Telefonistinnen. Erst als mit der Entwicklung des Computers diese Berufe an ökonomischer Bedeutung gewannen, wurden sie in ihrer neuen Form – der Informatik – akademisiert und gemäß den damals ungleichen Teilhabebedingungen an Bildung unter männliche Dominanz gestellt. Die Geschlechterverhältnisse haben die digitale Revolution vorgeprägt, und nun prägt diese die Geschlechterverhältnisse.
Und deshalb muss die Entwicklung von KI gesellschaftlich ausgehandelt werden. Jede Korrelation kann hinterfragt werden. Jede Abhängigkeit neu definiert, die Anwendung von KI reguliert – wie die Strukturen, die sie hervorbringen. Und hier liegt eben auch eine Chance. Wenn der Einfluss durch KI auf die Verhältnisse nicht der Wahrnehmung und den Interessen der Mächtigen überlassen, sondern durch einen demokratischen, kollektiven Aushandelsprozess bestimmt wird, könnte KI ein Werkzeug sein, das Ungerechtigkeiten nicht zementiert, sondern zu ihrer Bekämpfung beiträgt.
Doch wie müsste eine solche KI konstruiert werden? Auf welche Datenbestände sollte sie wie zugreifen? Und wie offen müsste dieser Prozess organisiert werden?
Diese Fragen wollen wir im Projekt AlanAlaine diskutieren. Und in der Praxis eine utopische Form der Entwicklung von KI erproben.