Aus der Rubrik »Geschlecht & Gesellschaft«
Für natur- oder gottgegeben hält die Geschlechterverhältnisse effektiv niemand mehr. Denn kaum ein*e gesellschaftliche*r Akteur*in versucht nicht bewusst, sie zu beeinflussen, auf ihre Entwicklung einzuwirken. Am meisten gilt dies paradoxerweise für patriarchale Gruppen und ihre Ideologien. Sie sind es, die am radikalsten ihre Vorstellungen von Geschlecht und ihre Rollenbilder in der Gesellschaft durchsetzen wollen. Somit hinterfragen gerade sie die vorgefundene Ordnung am stärksten und wollen sie normativ umgestalten, auch wenn sie dies als „Rückkehr“ zu einer angeblichen Natürlichkeit oder Ursprünglichkeit verklären. Dabei waren die Geschlechterverhältnisse immer umkämpft und Ausdruck der jeweiligen Verhältnisse.
Die Auseinandersetzungen sind auch heute vielfältig. Die strukturelle Ausbeutung und Diskriminierung von Frauen durch schlechter oder gar nicht bezahlte Arbeit war in der industriellen Revolution angelegt und ist es auch in der digitalen Revolution. Von diesen Machtverhältnissen ausgehend reproduziert sich eine Kultur unter neuen Vorzeichen, in der sozialer Status eben auch anhand von Geschlecht sowie der Erfüllung von Geschlechterklischees verhandelt wird. Sexuelle Prüderie und Bigotterie sind weitestgehend einer kulturindustriellen Verwertungsmaschinerie gewichen, in dem sich Zwang zwar anders, aber oftmals nicht weniger stark ausdrückt – Begehren als Wert. Konserviert hat sich zu weiten Teilen auch die sexuelle Diskriminierung. Und die Auseinandersetzung um die Binarität von Geschlecht – männlich oder weiblich, als wäre Geschlecht eine in Bits zu übersetzende Information, 0 oder 1 – hat gerade erst begonnen.
Gender bezeichnet die Ebene von Geschlecht, die durch solche Verhältnisse gezeichnet ist. Im Unterschied – aber auch in wechselseitiger Bedingtheit – zur biologischen Ebene geht es hier darum, wie uns Erziehung, Kultur, soziale Verhältnisse, Normen und Werte in unserem Verständnis von Geschlecht leiten. Hieraus gibt es kein Entkommen. Gender ist ein auf der Hand liegender Umstand. Unser Bewusstsein entsteht durch die Art und Weise, wie wir Informationen aus der materiellen Wirklichkeit verarbeiten. Doch dies bedeutet umso mehr, Zustände wie Ausbeutung, Diskriminierung und Zwang nicht hinzunehmen. An ihrer Überwindung mitzuwirken. Alles andere wäre: Gender-Wahn.
Nichts bleibt, wie es ist. Das gilt nicht zuletzt auch für die Bits: Ein Quantencomputer berechnet nicht mehr bloß Informationen in Form von 0 oder 1, sondern auch als gleichzeitig 1 und 2 – die Qbits. In der Loslösung von der als binär wahrgenommenen Welt liegt die Zukunft.
Wir wollen im Projekt AlanAlaine eine große Bandbreite von Themen diskutieren, in der die Geschlechterverhältnisse uns einengen, begrenzen, wir unterdrückt, ausgebeutet oder diskriminiert werden – oder dies anderen antun. Und so unser Bewusstsein mit Informationen und Erfahrungen anreichern, uns selbst und die anderen kennenlernen. Damit wir Gender nicht als Wahn erleiden.